Mittwoch, 20. Mai 2015

Französisch lernen ?

Tja, wir wohnen nun also in Frankreich. Und da wir uns entschieden haben, zu bleiben und uns sogar eine etwas gemütlichere Bleibe suchen möchten, da stellt sich schon die Frage nach dem Französisch.

Ich hatte ja damals in der Schule einige Jahre französisch (nicht dass da viel hängen geblieben wäre) und habe es immer auf den Tod gehasst als unangenehm empfunden, diesen Unterricht ertragen zu müssen. Trotzdem fand ich Frankreich irgendwie cool, schon immer. Am Frankreich-Austausch meiner Dorf-Gemeinde habe ich auch gerne mitgemacht. Die Kommunikation klappte schon irgendwie, zur Not mit Händen und Füßen.

Während meiner Ehe hatte ich wenig Kontakt zu Frankreich. Mein Ehemann hatte es nicht so mit den Franzosen, obwohl er doch direkt an der Grenze groß geworden ist. Mehr als ein-, zweimal haben wir es in 13 gemeinsamen Jahren leider nicht in dieses Land geschafft. Aber ich bin immer mal wieder an die VHS gegangen. Diese Kurse habe ich aber nie lange durchgehalten, denn sie erinnerten mich schon sehr stark an die Schule.

Als ich also letzten Spätsommer den Umzug beschlossen hatte, war ich weit entfernt von dieser wunderschönen Sprache. So entfernt, dass ich mich nicht einmal getraut habe, meinem französischen Kollegen ein "Salut, ca va ?" entgegen zu flüstern. Aber mit dem Umzugsgedanken platzte in mir irgendwie eine Hemmschwelle. Die Tatsache eines wirklichen Umzugs nach Frankreich (wenn auch ziemlich direkt an die Grenze) hob diese Blockade vollständig in mir auf und ich begann, auf französisch zu stammeln. Ich stammelte mit dem Kollegen (den Makler ließ ich beim ersten Mal noch diesen anrufen), aber radebrechte schon beim zweiten Anruf für eine potentielle Wohnung selbst. Halb freiwillig, halb von meinem Lebenspartner überredet. Natürlich können im Elsass die meisten Menschen deutsch und ich bekam sehr oft sehr schnell deutsche Antworten. 

Nur in den Behörden nicht. Nicht im Rathaus, nicht im Finanzamt, nicht bei der Schule, in die Emily noch kurz ging. Und schon gar nicht beim Internetprovider oder beim Stromanbieter. Tja, was soll ich sagen, im ersten halben Jahr hier ist mein Vokabular explodiert. Einfach nur aus der Notwendigkeit heraus. Und inzwischen kann ich mich ganz gut unterhalten. Nur mit dem Verstehen klappt es noch nicht so gut. Ich habe verschiedenes ausprobiert, wie ich mein Lernen beschleunigen kann, denn das Sprachbad ist wie gesagt hier nicht so umfassend. Und letztendlich bin ich nun darauf gekommen, dass ich es genauso angehen muss wie damals beim Englischen. Ich lerne einfach am besten aus Büchern. Ich lese einen spannenden Roman, so gut ich ihn verstehe und lerne quasi nebenbei. Vermutlich hat jeder so einen Weg, mit dem er am besten lernt.

Für mich steht es also außer Frage, dass ich französisch richtig gut lernen will. Was aber ist mit den Kindern? Sie konnten die Sprache überhaupt nicht, als wir hierher gezogen sind. Man sagt ja immer, kleinere Kinder würden das innerhalb kurzer Zeit von alleine lernen. Tja. 

Emily war 10 Wochen in der französischen Schule, weil sie sie ausprobieren wollte. Ich dachte, sie lernt vielleicht wenigstens französisch. Aber weit gefehlt. Kaum ein Wort brachte sie mit nach Hause. Französischen Freunde hat sie auch nicht, dafür viele deutsche. 

Johanna hat ihre Kontakte auch in Deutschland. Sie hat am Anfang mit Anki Vokabeln gelernt und ich habe den Eindruck sie versteht auch ein paar Brocken. Aber schon nach kurzer Zeit hat sie komplett verweigert, mit der französischen Sprache weiterzumachen.

Und jetzt? Prinzipiell möchte ich ja, dass die Kinder vorwiegend ihren Interessen folgen. Ich finde aber auch, dass wir nicht die Freiheiten und Vorteile eines Landes nutzen sollten, ohne uns diesem Land auch anzunähern, und ohne den Versuch, uns etwas zu integrieren. Also habe ich verschiedene Schleichwege in unser Leben gebaut.

1) Die Kinder hören mir ziemlich oft zu, wie ich mit jemandem auf französisch rede. Ein bisschen Sprachbad gibt es also.
2) Ich habe mir einen französischen Babysitter gesucht. Der möchte gerne deutsch lernen, kann es aber noch nicht sehr gut. Ein gegenseitiges Lernen also. 
3) Fernsehen gibt es nur auf französisch. Wenn wir zusammen Filme anschauen, dann auf französisch. (Leider gibt es aber auf Youtube ganz viel andere Sprachen... :)
4) Wir suchen Vereine und Aktivitäten auf französisch.
5) Ich lese französische Kinderbücher vor.
6) Ich habe eine französische Vorschulsoftware gekauft: Adibou (Mama, das spiele ich nicht, das ist auf französisch...)

Das alles haben wir schon die ganze Zeit gemacht, aber jetzt hat mir eine Freundin einen guten Tipp gegeben: die Reihe "Cahier pour les Vacances" von Nathan. Ich habe die Grundschulreihe gekauft, gabs im Supermarkt. Und heute abend saßen wir gemeinsam davor und haben es zusammen angefangen. Die CP-Stufe, das ist Vorschulalter. Und wir lernen alle dazu. Es war ein tolles Familien-Happening. Hat Spass gemacht und wir haben es geteilt und wir haben alle etwas gelernt. Ich bin schon sehr gespannt, ob die Kinder sich weiterhin darauf einlassen. Ich fände es toll, wenn sie der Sprache unserer Wahlheimat näher kommen würden.

Ich lerne aus dem heutigen Erlebnis wieder einmal, wie wichtig es ist, den Kindern reichhaltige Angebote zu machen und auf verschiedene Weise die Welt näher zu bringen. Dass sie bislang das französisch eher abgelehnt haben, könnte auch daran liegen, dass wir noch nicht den richtigen Umgang gefunden haben. Und gar nicht am französisch selbst. Heute sah es jedenfalls danach aus.

Dienstag, 12. Mai 2015

Und das Lernen ... ?

Es gibt so viel zu organisieren. So viele Dinge an die man denken muss, die einen gedanklich sonst beschäftigen, so viele Sorgen, die einfach daher kommen, dass das freie Lernen keine Selbstverständlichkeit ist. 

Nun leben wir in Frankreich, wo es das Recht der Familien ist, die Kinder zu Hause selbst zu unterrichten. Das geht auch ganz gut. Es sei denn, man hat wie ich ein Kind im Collège-Alter (>10 J). Hier werden die Regeln plötzlich verschärft und alles kostet viel mehr Kraft.

Was dabei auf der Strecke bleibt, ist das eigentliche Lernen. Das Fördern des Kindes. Neben Beruf, Haushalt, Alltag und den ganzen unnötigen Kämpfen mit Institutionen ist nicht mehr viel übrig für das Anbieten einer Vielfalt.

Ich möchte meine Kraft gerne in erster Linie für meine Kinder einsetzen. Um ihnen zu helfen sich zu entwickeln, die Welt zu entdecken und die Freude am Lernen zu bewahren. Stattdessen wälze ich französische Wörterbücher, rufe hier und dort an, lese Gesetzestexte und was weiß ich was. Ich werde über meine Erfahrungen noch ausführlich schreiben, aber jetzt gerade möchte ich endlich mal wieder auf das Lernen selbst eingehen.

Bei Naturkind habe ich beobachtet, dass sie sehr gut aufnimmt, was sie als Film sieht. Wir haben verschiedene Sachfilme im Internet gefunden, beispielsweise hier oder natürlich auch auf Youtube. Ich habe mich entschieden, nun vermehrt auf die Suche nach guten Materialien im Internet zu gehen. Ansonsten ist Naturkind im Moment sehr viel draußen und mit anderen Kindern beschäftigt. Ich hätte gerne ein kleines Gemüsebeet für sie, aber im Moment suche ich noch nach einem Garten. Sie liest nach wie vor wenn sie Lust dazu hat, die Dinge die sie interessieren. Aber sie lehnt alles ab, das nach Schule riecht. Pädagogisch aufbereitetes Material bekommt sofort den Stempel "langweilig". Dafür erkennt sie Gelegenheiten in der echten Welt, sie entdeckt den Sinn hinter manchen Lerninhalten. Beispielsweise haben wir letztens im Eisladen zu wenig Geld herausbekommen und reklamiert. Danach meinte sie "Ach dafür muss man rechnen können." Diese Aha-Effekte sind sehr, sehr wertvoll. Ich habe auch den Eindruck dass sie schon ziemlich gut rechnen kann, aber es nicht zeigen möchte. Sobald jemand ihr eine Rechenaufgabe stellt (was Leute mit Vorliebe tun, sobald sie hören, dass sie zu Hause lernt) antwortet sie stets mit "Ich weiss nicht". Ich kann mir vorstellen dass sie in der Schule aus Protest ein leeres Blatt abgeben würde :)
Es bleibt spannend, hier zu beobachten, aber ich würde gerne noch mehr Reize an sie herantragen, mich viel mehr mit ihr zusammensetzen. Mich weniger mit organisatorischen Dingen und Kämpfen herumquälen.

Zöpfchen hat ihr erstes eigenes Interesse zwischenzeitlich gefunden. Da ich die Deschooling-Phase nicht ertragen konnte, habe ich anfangs mit ihr Abmachungen getroffen, welche Dinge wir zusammen bearbeiten. Wir haben viel zusammen gelesen, naturwissenschaftliche Bücher aber auch viel Literatur. Den Besuch der alten Dame von Dürrenmatt, Shakespeare u.ä. Dazu noch einige andere Dinge, die wir jeweils vereinbart hatten. Irgendwann wollte sie mit zeichnen beginnen. Und hat das immer mehr und immer eifriger getan. Sie zeichnet ausschließlich Manga-Figuren. Vor ein paar Wochen hat sich Zöpfchen dann in den Kopf gesetzt, digital zeichnen zu wollen. Sie hat eigenständig recherchiert und sich für ein Tablet-Modell entschieden. Ein gebrauchtes auf Ebay ersteigert, mit dem Taschengeld bezahlt. (Mit viel gespartem Taschengeld.) Dann hat sie verschiedene Grafikprogramme evaluiert und ist bei SAI hängen geblieben, in der englischen Version. Seither hat sie viele Stunden am Tag auf ihrem Grafiktablet gearbeitet. Im Prinzip hat sie einen 8Stunden-Grafik-Designer-Job gelebt. Nur mit Überstunden und ohne Wochenenden. Ich habe sie kaum vom Gerät weg bekommen und war auch immer im Zwiespalt ob ich sie nicht besser lassen sollte. Trotzdem, ab und an ein bisschen frische Luft und ein paar Worte Austausch wären ja schon schön... 
Vor einer Woche hat das Tablet einen Kurzschluß verursacht und für Zöpfchen ist erstmal die Welt zusammen gebrochen. Wir warten nun sehnlichst auf das Austauschgerät vom Hersteller. Aber es ist auch gut zu wissen, dass sie sich auch mit anderen Sachen beschäftigen kann. Zumindest nach einer kurzen Trauer-Pause. Wobei "andere Sachen" vielleicht eher heißen sollte: "anderen Dingen rund um Mangas". :)

Ich sehe auf jeden Fall bei beiden, wie sie sich entwickeln. Wie Interessen entstehen, Fähigkeiten aufgebaut werden und sich Können entwickelt. Mir fällt es noch immer schwer, alle Interessensgebiete als gleichwertig zu betrachten, zu tief drinnen steckt die Wertigkeit. Und ich frage mich, ob eine zu einseitige Beschäftigung wirklich gut ist. Und ob die Kinder nicht lernen sollten, sich selbst Ziele auszuformulieren und diese auch zu erreichen. Und, und, und. So wie alle Eltern, die sich ernsthaft mit ihren Kindern auseinandersetzen stelle ich mir jeden Tag tausend Fragen. Und mache einfach weiter, so gut ich es kann.

Montag, 11. Mai 2015

Kindergeld - Krankenversicherung

Eine der ersten Fragen, die beim Gedankenspiel des Auswanderns auftauchen, ist die Frage nach dem Kindergeld. Ich möchte daher heute kurz von meinen Recherchen und Erfahrungen erzählen.

Ich habe Naturkind im April am deutschen Wohnsitz abgemeldet, ohne einen neuen Wohnort anzugeben. Im September habe ich dann Zöpfchen und mich selbst abgemeldet, diesmal mit Angabe des Wohnsitzes im Elsass. Bis Jahresende kam keine Reaktion von der Kindergeldkasse. Es ist also zumindest mal eine gewisse Wahrscheinlichkeit vorhanden, dass die Behörden nicht oder nur sehr zäh miteinander kommunizieren.

Bei mir haben sie nur deshalb auf meinen Wegzug reagiert, weil BigBlueEyes, inzwischen volljährig aber in der Ausbildung, bei der Kindergeldkasse war um sich für sich selbst zu informieren. Und dabei ausgeplaudert hat, dass ich und die Kinder gar nicht mehr in Deutschland sind. Ansonsten hätte vielleicht noch lange niemand etwas bemerkt. 

Nun ja, die Sachbearbeiterin hat meiner Ältesten eine Menge Papierkram für mich mitgegeben, ganz in Asterix-Film Manier. Den galt es dann auszufüllen. 

Das Kindergeld ist in Deutschland an die Steuerpflicht gebunden. Ist man prinzipiell in Deutschland steuerpflichtig so bekommt man auch das Kindergeld dort. Es sei denn natürlich, man bekommt schon woanders etwas. Das ist auch genau der Punkt, wo sich die Reise vom festen Wohnort unterscheidet. Solange man nur reist, gibt es keinen festen Wohnsitz und kein Bezugsland außer der Heimat. Mit dem Verlagern des Wohnsitzes nach Frankreich hätte es ja sein können, dass die an der Reihe sind, meine Kinder und mich durchzufüttern. Daher musste ich quasi Kindergeld bei der CAF beantragen, der französischen Sozialbehörde. Das geht mit Formularen die online erhältlich sind. Ist alles nicht ganz einfach und man muss noch viele andere Dokumente mitschicken aber es ist machbar. Die CAF bekommt von der deutschen Kindergeldkasse auch noch einen Bogen, auf dem sie dann vermerken, ob Ansprüche bestehen oder nicht. Der deutschen Kindergeldkasse ist natürlich am liebsten, wenn sie gar nicht mehr zahlen müssen oder nur einen Teilbetrag.

Bei mir ist es so, dass ich weiterhin in Festanstellung in Deutschland tätig bin. Daher bin ich auch dort voll steuerpflichtig. Als Grenzgänger habe ich zwar gewählt, meine Steuer in Frankreich zu bezahlen und nicht in Deutschland, aber das ändert nichts daran, dass ich generell in Deutschland steuerpflichtig bin. Für Grenzgänger gelten einfach zusätzliche Ausnahmeregelungen. Dadurch war es prinzipiell kein Thema, dass die deutsche Kasse weiterhin für mich zahlen muss. Durch den Papierkram musste ich trotzdem durch. Insgesamt hat es drei Monate gedauert, bis ich wieder Kindergeld bekam. Und ja, man muss das Kindergeld zurückzahlen, wenn man ins Ausland gegangen ist und niemandem Bescheid gesagt hat. Wenn der Anspruch aber besteht, dann bekommt man die Zahlung quasi rückwirkend wieder ausgeglichen. 

Vorsicht dabei: das Kindergeld kann nur eine bestimmte Zeit rückwirkend ausbezahlt werden, daher sollte man nicht zu lange warten mit dem Neuantrag. Für diesen ist übrigens eine ganz bestimmte Kindergeldkasse zuständig (z.B. Offenburg für Frankreich), nicht mehr die am bisherigen Wohnort. 

Was unbedingt benötigt wird, sind Geburtsurkunden (mehrsprachig), Ausweiskopien und Gehaltszettel. Die Formulare passen auch nicht so ganz, wenn man in einer Situation steckt wie ich, also selbst im Ausland wohnt aber deutsches Kindergeld möchte.

Einfacher wird es, wenn der Papa der Kinder in Deutschland ganz regulär verbleibt und das Kindergeld von dort aus beantragt. Dann braucht man trotzdem den ganzen Papierkram von der ausländischen Behörde aber man kann sich mehr unterstützen lassen (in deutsch :) und es ist dann auch egal ob die Mutter in Deutschland steuerpflichtig ist. Es reicht, wenn ein Elternteil das ist. Der hat dann Anspruch auf das Kindergeld. 

Was ich nicht recherchiert habe, ist wie es mit Kindern ist, die ohne neuen Wohnsitz mit der Mutter auf Weltreise gehen und der Vater stößt halt im Urlaub dazu. Wenn das jemand bei der Familienkasse erfragt oder vielleicht schon weiß, wäre ich für einen Kommentar dankbar! Rein von der Logik her müsste da aber das Kindergeld ganz normal weiterlaufen.

Mit der Krankenversicherung ist es übrigens ähnlich trivial. Solange ich in Festanstellung in Deutschland bin, verbleibe ich automatisch in der deutschen Krankenversicherung und die Kinder sind bei mir familienversichert. Ich kann eine Betreuung durch die französische Krankenkasse beantragen (heißt wieder viel Papierkram zur französischen Krankenkasse bringen) und dann auch in Frankreich zum Arzt gehen. Ohne diese Betreuung habe ich nur die europäische Notfallkarte, darf also in Notfällen nach Frankreich zum Arzt und sonst in Deutschland. 

Natürlich kann man sich auch freiwillig in einer deutschen Krankenversicherung versichern, am besten solange man noch in Deutschland wohnt. Später den Wohnort zu wechseln ist immer einfacher als aus dem Ausland zu starten. Bei Banken ist es das Gleiche. An und für sich ist es der Krankenkasse egal, wo man hinzieht wenn man erstmal Mitglied ist.

Wenn nun z.B. nur die Mutter und Ehefrau mit den Kindern ins Ausland geht, nicht selbst arbeitet und daher keine eigene Krankenversicherung hat, können trotzdem alle bequem in der Familienversicherung des Mannes verbleiben, der weiterhin in Deutschland arbeitet. Wenn man keine Betreuung durch die franz. Kasse erwirken möchte, empfiehlt es sich natürlich, grenznah zu wohnen.

Klingt alles total kompliziert und es ist auch eine Menge zu tun, aber kein unüberwindbares Hindernis. :)



Sonntag, 10. Mai 2015

Der "gewöhnliche Aufenthalt" entscheidet

Die Schulpflicht ist in Deutschland Ländersache. Jedes Bundesland hat ein eigenes Schulgesetz und die Regelungen weichen ab. 
Einen groben Überblick gibt Wikipedia, danach gehts ab zur Recherche in das jeweilige Schulgesetz.

Ich beziehe mich im folgenden auf das Schulgesetz Baden-Württemberg, weil ich aus diesem Bundesland ausgewandert bin.

Laut §72 SchG BaWü besteht "Schulpflicht [...] für alle Kinder und Jugendlichen, die im Land Baden-Württemberg ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Ausbildungs- oder Arbeitsstätte haben."

Eine ganz wichtige Frage für Menschen, die wie ich wegen der Schulpflicht in Deutschland auswandern ist ja: darf ich mich denn noch in Deutschland aufhalten? Oder müssen die Kinder dann wieder in die Schule?

Perfiderweise ist nicht alleine der Wohnsitz entscheidend, sondern rein rechtlich gesehen der "gewöhnliche Aufenthalt". Was bedeutet das nun? Ich habe das recherchiert, weil ich anfangs darüber nachgedacht habe, einen Teil der Zeit in Deutschland zu verbringen und einen Teil in Frankreich. Jetzt im Moment ist für mich zwar der Lebensmittelpunkt definitiv im Elsass, aber das kann sich auch wieder ändern. Und für viele andere Familien ist ein gewisses Pendeln im Plan inbegriffen.

Antworten finden sich im §9 der deutschen Abgabeordnung, dem Steuergesetz also. Er wird charakterisiert durch
1) einen Aufenthalt der "nicht nur vorübergehend" ist. Also schon so etwas wie exklusiv genutzter Wohnraum, regelmäßige Vereinsaktivitäten und solche Sachen.

Für Menschen,die sich eine zweite Wohnung in Deutschland halten wollen, wird es daher jetzt richtig interessant, denn dieser Aufenthalt wird auch über die Zeit betrachtet:
2) gewöhnlicher Aufenthalt hat eine Dauer von mindestens 6 Monaten am Stück (kleine Unterbrechungen sind irrelevant).
3) Wenn es eindeutig ein Besuch ist oder eine Erholungsmaßnahme dann ist bis zu einem Jahr kein gewöhnlicher Aufenthalt festzustellen.

Das gemeine an dieser Sache ist nun, dass die o.g. Definitionen aus dem Steuerrecht stammen und ggf. im Schulgesetz anderweitig interpretiert werden können. Im SchG Baden-Württemberg finden sich dazu keine Einschränkungen (jedenfalls habe ich keine gefunden). Anders sieht es z.B. in Niedersachsen aus, wo der gewöhnliche Aufenthalt schon ab 5 Tagen Wohnen definiert wird.

Soweit zur Gesetzeslage. Für Baden-Württemberg zumindest ist die Devise, dass ein Aufenthalt über 6 Monate am gleichen Ort die Schulpflicht auslöst. D.h. 7 Monate im Ausland, 5 Monate in Deutschland sollten rein rechtlich kein Problem sein. Oder eben unter der Woche im Ausland, am WE in Deutschland. Weitere ganz legale Variationen sind vielfältig.

Unterm Strich ist jedoch ausschlaggebend: wer sollte denn überprüfen, wie lange genau mit welchen Unterbrechungen jemand wo wohnt? Es gibt Familien die genau ein halbes Jahr in Deutschland leben und ein halbes Jahr im Ausland. Die melden sich natürlich nicht an. Und gehen ganz selbstverständlich mit ihrem Recht um. 

Bei mir war es auf jeden Fall so, dass nach meiner Abmeldung das Jugendamt sofort die Segel gestrichen hat. Die sagten schon vorher, dass sie nicht für Kinder zuständig sind, die nicht in Deutschland gemeldet sind. Und für eine intensive Detektivarbeit bei der tagesgenau ein Aufenthalt hier oder dort überprüft wird hat ein Jugendamtsmitarbeiter normalerweise keine Zeit. Der muss sich nämlich um die zahlreichen Fälle kümmern, in denen wirklich das Kindeswohl gefährdet ist. 

Die Chancen stehen also gut, dass man mit einer frechen Selbstverständlichkeit durchaus einen Großteil der Zeit weiterhin in Deutschland verbringen kann. Manche machen das auf diese Art sogar zu 100% :)   
Wenn man neugierige Nachbarn hat, kann es vermutlich nicht schaden, denen gleich ganz offen zu erklären, dass die Kinder im ausländischen Schulsystem sind und übers Internet lernen. Normalerweise stellt das die Zweifler zufrieden. Sicherheit gibt es allerdings nie. 

Übrigens gibt es leider auch keine Sicherheit wenn man wie ich, ganz und gar ins Ausland geht. Auch hier gibt es Auflagen. Darüber schreibe ich aber noch einen ganzen Beitrag.

Samstag, 9. Mai 2015

Abmelden - Anmelden ?

Ich habe in einem älteren Post schon einmal davon berichtet, wie einfach es war, Naturkind einfach vom deutschen Wohnort abzumelden.
Ich bin einfach mit dem Kinderausweis zum Meldeamt gegangen und habe denen gesagt, dass wir auf eine längere Reise gehen. Und dass die Schule das Kind nicht so lange freistellen kann sondern mir geraten hat es abzumelden. Wegen der Schulpflicht. Als neuen Wohnort habe ich "Reise" angegeben. Das ist auch legitim so, wenn man eben nicht vorhat, den Wohnsitz tatsächlich an einen bestimmten Ort zu verlagern. Viele Worldschooler reisen für sehr lange Zeit und dann gibt es eben keinen neuen Wohnsitz. Manche Abmeldebehörden in Deutschland mögen auf dem neuen Wohnsitz bestehen, aber das ist dann nur, weil sie sich ein Leben auf Rädern überhaupt nicht vorstellen können und einfach nicht wissen, dass solch ein Lebensentwurf realisierbar ist.
Letztendlich hat das deutsche Meldeamt kein Recht, den neuen Wohnort zu erfahren. Die deutsche Meldepflicht endet natürlich offiziell mit dem Wegzug aus Deutschland.

Für Zöpfchen und mich habe ich diese Prozedur des Abmeldens dann ungefähr ein halbes Jahr später wiederholt, wiederum ohne Unterschrift des Vaters. Dieses Mal allerdings hatte ich eine neue Adresse anzugeben und habe das dann auch getan. Den einzigen Nutzen aus dieser Angabe kann übrigens die Kindergeldkasse ziehen. Doch über das Thema Kindergeld schreibe ich in einem weiteren Beitrag.

Auf jeden Fall hätte ich ebenso bei dieser Abmeldung keinen Wohnsitz anzugeben brauchen. Die deutsche Behörde hat auch kein Recht, über die Landesgrenzen hinaus Recherchen zu betreiben, also zu untersuchen, ob man wirklich dort wohnt. Was ein vorwitziger Mitarbeiter des Ordnungsamts tun könnte, ist, die Nachbarn in Deutschland zu befragen. Aber auch dort steht letzten Endes Aussage gegen Aussage. Ein Wohnsitzwechsel ins Ausland bedeutet nicht, dass man sein Aufenthaltsrecht in Deutschland verliert! Solange es nicht zum gewöhnlichen Aufenthalt wird (dazu mehr in Kürze) darf man sich in Deutschland als Deutscher natürlich frei aufhalten.

In Frankreich gibt es keine Meldepflicht. Als Deutscher kann man sich das vielleicht schwer vorstellen. Wir müssen in Deutschland ja bei allen möglichen Gelegenheiten unseren Ausweis vorzeigen, auf dem dann auch unsere Adresse stehen muss. Und diese Adressänderung auf dem Ausweis bekommt man letztlich nur, wenn man sich bei einer Behörde anmeldet. Soweit zu Deutschland.

Im Alltag in Frankreich gibt es viele Situationen, in denen man seinen Wohnort legitimieren muss. Beispielsweise bei der Eröffnung eines Bankkontos. Aber als Nachweis hierfür wird fast immer eine aktuelle Strom- oder Telefonrechnung verlangt, die auf den eigenen Namen und die angegebene Adresse lautet. Je nachdem wird auch ein Mietvertrag als Wohnsitznachweis akzeptiert. Das variiert von Institution zu Institution und vermutlich auch nach Sachbearbeiter.

Man kann sich natürlich beim Rathaus anmelden als neuer Bürger. Ich persönlich habe das mitsamt den Kindern getan. Aber ein zentrales Melderegister gibt es hier nicht. Und die Bescheinigung des Rathauses kann mich sich dann an die Wand hängen; bis jetzt habe ich sie noch niergendwo als Nachweis verwenden können. Ein absolut überflüssiges Stück Papier. 

Ein guter Tipp ist auf alle Fälle, sich vor dem Abmelden aus Deutschland noch einen neuen Personalausweis und einen Reisepass machen zu lassen, auch für alle Kinder. Denn erst einmal abgemeldet, ist das ganze Prozedere etwas mühsam, und geht über das Konsulat, vor dem man persönlich erscheinen muss, in der ganzen Mannstärke. Den Personalausweis kann man übrigens einfach mit der deutschen Adresse dann behalten. Das ist ganz praktisch wenn man öfter mal in Deutschland Geschäfte abzuwickeln hat. Idealerweise sollte natürlich eine Adresse drauf stehen, an der man auch Post erhalten kann. Bei Freunden oder Familie, z.B. In Frankreich hat der Perso keine Bedeutung. Man kann ihn aber als Nachweis der Identität natürlich benutzen, um ein Einschreiben bei der Post abzuholen und für ähnliche Gelegenheiten. Die Adressangabe ist für die Franzosen dabei total irrelevant.

Also: Abmelden: ja, bitte. Anmelden: höchstens lokal, um irgendwelche stadtbezogenen Vorteile nutzen zu können (Anwohner-Parkausweis ...)






Freitag, 8. Mai 2015

Angekommen

Nach vielem Hin und Her habe ich jetzt langsam das Gefühl, erst einmal angekommen zu sein. Naturkind hat jetzt bereits ein paar Freunde in der Umgebung gefunden und langsam lernen wir immer mehr Freilerner hier im Elsass kennen.
Die Kinder jetzt schon wieder aus ihrer Umgebung heraus zu reißen, erscheint mir unmenschlich. Beide haben mir auf Nachfrage gesagt, dass sie hier bleiben mögen. Es fühlt sich auch für mich gerade gut an, mit dem wachsenden Netzwerk und dem zunehmenden Austausch mit anderen Familien.

Ich werde das Thema dieses Blogs daher im Moment ändern. Wir unschoolen jetzt nicht mehr in Deutschland. Sondern wir sind deutsche Unschooler, die ins Elsass ausgewandert sind. In den vergangenen Wochen und Monaten habe ich erfahren, dass das Elsass für viele Deutsche eine interessante Alternative ist. Und dass es viele Fragen gibt. Ich möchte mich in meinen nächsten Posts auch diesen, vor allem organisatorischen Fragen widmen.

Freitag, 20. Februar 2015

Unser Umweg

Es war jetzt eine Weile still um mich und meine Süßen. Ich möchte ganz kurz zusammenfassen, was uns seit dem letzten Eintrag vom Juli passiert ist.

Im Moment befinden wir uns auf einem Umweg, der aber unausweichlich begangen werden musste. Der Weg geht für uns aber noch weiter, wir haben keinen Zustand gefunden, der länger anhalten wird. Nur ein bisschen Ruhe auf dem Weg.

Nachdem ich im Juli mit der freien Schule gesprochen und letztendlich doch die Absage erhalten hatte, dass sie ihre Hand über das Unschooling von Naturkind legen würden, wollte ich ja eigentlich die Diskussion mit dem Kindsvater suchen. Jedoch war die freie Schule leider schneller und hat eine aktualisierte Adressliste an alle Eltern verschickt, in der Naturkind nicht mehr zu finden war - obwohl ich noch gar keine offizielle Abmeldung vorgenommen hatte. Damit haben sich für uns die Ereignisse überschlagen, ich nehme an, der Vater ist schlichtweg in Panikmodus verfallen.

Jedenfalls hat er in einer sehr übereilten Aktion Jugendamt, Schulbehörde, Rechtsanwalt und die Grundschule schräg gegenüber von meiner Wohnung eingeschaltet und begonnen, starken Druck auf mich auszuüben. Das ging so weit, dass er die Kinder, die in den Sommerferien bei ihm zu Besuch waren, nicht mehr nach Hause gehen lassen wollte, bevor nicht eine Schulanmeldung von Naturkind vorliegt.
Ich war zu dieser Zeit wirklich sehr belastet, vor allem der Verrat aus engsten Reihen war für mich schwer zu tragen. Heute verstehe ich, dass er aus Angst vor Strafe gehandelt hat, wie es ihn seine eigene schulische Erziehung offensichtlich sehr gut gelehrt hat.

Meine Entscheidung, wie ich darauf reagieren möchte, musste ich treffen, während er meine Kinder quasi als Geiseln hielt. Ich empfand die Situation als extrem unangenehm und musste signalisieren, dass diese Art der Kommunikation zwischen Eltern nicht funktioniert (über Anwalt und Ämter). Deswegen habe ich mich entschieden, meinen Wohnsitz erstmal ins Ausland zu verlegen.

Das funktionierte bei mir relativ reibungslos, da ich grenznah in Deutschland gewohnt hatte und so die alte Arbeit erstmal behalten konnte. Innerhalb von zwei Wochen nach meinem Entschluss war ich schon umgezogen. Das war eine Rekordleistung, eine Wohnung zu finden, die auch sofort bezogen werden konnte.

Im Nachhinein hätte ich mir den Schritt vielleicht sparen können, denn die Kinder wurden vom Vater sogar noch vor Ablauf der Ferien zurück gebracht. Ich nehme mal an, es wurde ihm auf Dauer zu anstrengend mit ihnen, denn sie sind von mir eine starke Präsenz ihnen gegenüber gewohnt, die er nur schwer aufbringen kann.

Der Umzug war da aber schon erledigt. Komischerweise hatte er durch die Legalität am neuen Wohnort nichts mehr gegen Unschooling einzuwenden. Es ging ihm also weniger um die Bildung selbst als mehr um die Legalität.

Noch sind wir nun in Frankreich, grenznah. Beide meiner Kinder bilden sich jetzt frei. Ich bin froh, dass ich diesen Schritt getan habe um mehr Zeit zu haben für das Wesentliche: die Bildung der Kinder.

Aber jetzt sind wir ein halbes Jahr hier. Und ich merke, dass der Weg bald weitergehen wird. Ich habe vor, nach Deutschland zurück zu kehren. Aber noch habe ich das Bild nicht genau im Kopf.